
Ein MVP, ein Minimal Viable Product, ist in der Geschäftswelt der entscheidende Schritt auf dem Weg von der Idee zu ersten Umsätzen. Der Weg dahin erfordert manchmal ein paar Tricks und Kniffe, da wir bei einem MVP ein – für den Konsumenten – wirklich echtes Produkt brauchen, und nicht nur einen Prototypen.
Inhalt
- Über den Autor
- Artikel zu ähnlichen Themen
- MVP: Definition, Bedeutung und Geschichte
- Beispiel für ein Online-Marketing-MVP
- Das Gegenteil von MVP: BDUF
- Daher kommt die MVP-Idee
- Ein MVP kann ein Prototyp sein, muss es aber nicht
- Die Inspiration hinter MVP: die Sharpe Ratio
- Was bedeutet MVP im Marketing?
- MVP: Bedeutung in Sport & Gaming – Most valuable player
- Du willst ein MVP auf den Weg bringen?
MVP: Definition, Bedeutung und Geschichte
MVP bedeutet: Minimal Viable Product, auf Deutsch in etwa Minimal Brauchbares Produkt. Es ist ein Produkt, dass minmalistisch ist, aber gut funktioniert und über den Prototypen-Status hinausgewachsen ist. Es hat kein Gramm Fett zuviel, aber auch nicht zu wenig Fleisch dran.
Das bedeutet: Es ist ein echtes Produkt, das genau das kann, was man als Kunde erwartet. Ein MVP ist weder ein Schmalspur-Produkt noch ein überfettes Produkt, sondern die goldene Mitte – aus Sicht des Kundennutzens heraus.
Die Entfeinerungen gegenüber Maximalprodukten liegen in reduziertem technischen Aufwand, wenig ausgefeiltem Design oder in nicht-automatisierten Prozessen im Hintergrund.
MVPs sind eine bewährte Technik, um den „Return on Risk“ zu maximieren. Es ist also eine Risikomanagement-Technik. Es geht darum, mit möglichst geringem Risiko die bestmögliche Rendite zu erwirtschaften.
Mit einem MVP kannst du sehr gut testen, ob ein neues Produkt vom Markt angenommen wird, bevor man beispielsweise 1 Million Euro in eine App oder 100 Millionen Euro in eine vollautomatisierte Produktionslinie investiert.
Daher kommt die MVP-Idee
Minimium Viable Product ist ein Ausdruck von Frank Robinson1 aus dem Jahr 2001, ihn bekannt gemacht hat Eric Ries, und 2009 (bzw. 2011 im Buch „Lean Startup“) bzw. steht auch viel dazu im 2013er Buch „Lean UX“ von Jeff Gotthelf mit Josh Seiden. Es ist also ein alter Hut.
MVP ist zuerst eine Projektmanagement-Technik, um den Abschluss von (Teil-)Projekten zu beschleunigen. Zentral darin ist auch das Konzept des Definition of Done, also „Wann kann ich mein Minimal-Produkt auf den Markt loslassen“.
Im agilen Arbeiten, speziell in digitalen Projekten, hat sich die Idee der MVPs durchgesetzt. Aufs Online Marketing bezogen ist ein MVP eine Website, eine Kampagne oder ein Funnel, die oder der mit minimalsten Mitteln maximale Performance liefert.
Die Inspiration hinter MVP: die Sharpe Ratio
Die Grundidee hinter MVP ist sogar noch älter, schreibt Robinson: Und zwar der Sharpe-Quotient (engl. Sharpe Ratio) von William F. Sharpe aus dem Jahr 19662. 1994 hat er den Sharpe-Quotienten noch mal überarbeitet3.
Mit dem Sharpe-Quotienten ermittelt man, ob man bei einem Investment risikolos Extra-Rendite erwirtschaften kann (oder ob das Gegenteil eintritt). Ein Sharpe-Quotient von 0 ist neutral, im Plus-Bereich ist die Anlage das Extra-Risiko wert, und im Minus-Bereich erkauft man sich das Risiko zu teuer.
Sharpe hat übrigens 1990 den Wirtschaftsnobelpreis bekommen, im Wesentlichen für seine Arbeit über das Capital Asset Pricing Model (CAPM), welches er 1964 veröffentlichte4.
Was bedeutet MVP im Marketing?
Im Marketing ist MVP ein risikoreduzierter Minimal-Ansatz, mit dem man dennoch die Marketingziele erreicht. Beispielsweise kannst du eine Werbeidee, also eine Idee zu einer Kampagne, eine Headline, zuerst im kleinen Rahmen in einem Testmarkt schalten. Bei solchen MVPs ist dann KI durchaus hilfreich, bspw. bei der Bild- oder Videogenerierung; genauso gut gehen oftmals auch Stockbilder, wie eh und je.
Bei Erfolg geht es dann erst in die Produktion von teuren Werbemitteln, wie TV-Spot-Produktion oder Buchungen von Influencern.
Beispiel für ein Online-Marketing-MVP
Dein Unternehmen oder deine Marke hat ein neues Produkt oder Angebot. Du willst es unter die Leute bringen: Awareness schaffen, Leads geniereren, Sales anstoßen. Glücklicherweise hast du dich für agiles Projektmanagement entschieden und willst die Aufgabe mit einem MVP angehen.
- Zuerst brauchst du ein Produkt und ein bisschen Markenentwicklung.
Hier vermeiden wir direkt die ersten Denkfehler: Um bspw. ein Produkt in einem Onlineshop anzubieten, brauchen wir nicht zwingend einen ausgefeilten Shop. Es genügt, wenn es sich für den User wie ein Shop anfühlt.
Wenn es eine digitale Dienstleistung ist, benötigst du im ersten Schritt also keine fertige Website / einen fertigen Shop mit Shopsystem, Payment, Middlewares und allem Schnickschnack, sondern vielleicht nur eine Landing Page mit Leadgenerierungs-Formular, evtl. auch was mit Shopify.
Dort sehen Interessenten das Produkt / das Angebot und können Kontakt aufnehmen und per Kontakt ordern / anfragen. Mit Leadgenerierungs-Tools wie HubSpot (das ein CMS beinhaltet), KI-Marketing-Tools und KI-Bildgenerierung lässt sich sowas schnell basteln. Damit das Ergebnis echten Impact hat, solltests du dich nicht auf KI-Texte verlassen, und schon gar nicht auf auf KI-Bilder.
Um auf die Schnelle eine komplette Website zu generieren sind Tools wie Figma im Verbund mit Claude, Google Gemini Build, Lovable etc. pp. einen Versuch wert (aber Achtung: Oft kommt dabei ein superschicker Prototyp heraus, aber noch kein nutzbares Produkt – überlege dir also gut, was das Produkt sein soll, und wo Vibe Coding aufhört und echte Programmierung beginnt)
Bei Botschaften gilt: Den USP musst du selbst definieren, und zwar im Sinne eines Kundennutzens für die Zielgruppe. - Du willst diese Landingpage bewerben. Das kannst du mit Native Advertising oder über Google Ads / YouTube Shorts oder Meta (Instagram, Facebook) machen – es sollte ein Anbieter sein, mit dem das Targeting exzellent funktioniert.
Auch hier genügen ein paar Bilder / Mock-ups.
Und ein bisschen Budget.
Und vielleicht einen freien Texter, damit der Content in Bezug auf Markenführung, Konzeption und sprachlicher Attraktivität auf Top-Niveau ist.
Damit testest du minimal und innerhalb weniger Tage (eine Woche dauert’s eigentlich immer mindestens, da die Kampagnen alle „Lernzeit“ brauchen), ob dein Produkt am Markt ankommt bzw. ob es Interessenten gibt. - Danach musst du laufend testen: Bei wenig Interesse der Zielgruppen musst du entweder was am Targeting drehen, an der Sprache, den Bildern oder am Produkt.
- Wenn sich herauskristallisiert, dass das Produkt ein Erfolg sein wird, kannst du das MVP weiter ausbauen. Die Skalierung kann allerdings manchmal problematisch sein. Dann ist es besser, sich die Prozesse schon vorher in der Konzeption genau zu überlegen. Denn wenn das MVP in Wahrheit „nur“ ein Prototyp war, fängt die Arbeit danach erst richtig an. Es ist immer eine Abwägungsentscheidung, wie groß man loslegt. Es schadet aber gar nicht, vor dem Start schon ein wenig „Think Big“ Größenwahn zu haben, denn a) dein MVP soll ja Erfolg haben und b) musst du dann wissen, was du tun wirst.
Das Gegenteil von MVP: BDUF
Gerade bei großen Kampagnen kommt nach nicht umhin, groß zu denken. An irgendeinem Punkt muss eben der TV-Spot gedreht, die Kampagne geshootet (also fotografiert) und Media gebucht werden – und alle Kanäle müssen gleichzeitig mitbespielt werden, von TV bis zum POS. Noch größer ist der Spaß, wenn ein Markenrelaunch international ausgerollt wird – du kennst das.
Da gibt es einfach Deadlines, an denen wichtige Entscheidungen fällig werden.
Deshalb wird oft (immer noch) BDUF-mäßig gearbeitet: Die große Werbemaschine wird angeworfen, und niemand kann sie mehr stoppen. Und das, obwohl am Anfang noch zu viele Unsicherheiten bestehen.
BDUF, das bedeutet, gut nachzulesen bei Wikipedia, Big Design Up Front. BDUF. Also erst das perfekte Design finalisieren, dann die technische Umsetzung. Hat den Vorteil, dass das Design eine Freigabe bekommt. Hat den Nachteil, dass sich jede Undurchdachtheit massiv rächt.
Der Weg zu BDUF: Lang und steinig. Intern werden Schleifen ohne Ende gedreht, fertige Kreativprodukte ausgesiebt und in den Mülleimer geworfen. Das frisst Ressourcen und bringt keine Erfolgsgarantie – trotz teils sehr ausgiebiger Marktforschung.
Vor allem ist BDUF eines: langsam. Wenn du dir bei deiner Marke Langsamkeit leisten kannst, ist alles gut. Wenn du mehr Agilität suchst: Denke groß. Entwickle einen bunten Strauß an Assets und kippen diese – messbar – in die Zielgruppen.

Ein MVP kann ein Prototyp sein, muss es aber nicht
Denken wir mal eine Nummer größer, nämlich an physische Produkte. Stelle dir vor, du willst ein neues Auto etc. auf den Markt bringen. Da die Investitionen in Design, Teilefertigung und Produktionslinie sehr hoch sind, musst du sicher sein, das Geld nicht aufs falsche Pferd zu setzen.
Dabei hast du mehrere Möglichkeiten: Du kannst ein Automobilwerk samt Belegschaft kaufen, oder per Greenfield-Investment etwas Neues aus dem Boden stampfen – oder bei Zulieferern einkaufen, um mit einer Kleinserie oder Mittelserie zu starten.
Auch hier gibt es Beispiele:
- Das erste Produkt von Tesla war der Roadster. Um sich das wirklich Teure (bzw. Kapitalintensive) an der Autombilherstellung zu sparen, nämlich den Karosseriebau mit Fahrwerk etc., wandte man sich an Lotus. Auf Grundlage eines fertigen Autos, der Elise, wurde der Tesla Roadster entwickelt. Am Ende blieben nur wenige Gleichteile übrig, wie die Windschutzscheibe5, aber erstens hatte man einen Engineering-Partner und zweitens einen Produktionpartner. Dafür war das Grunddesign schon vorgegeben. Außerdem bestanden die „Karossierebleche“ aus Carbon, die man in Kleinserie einfacher herstellen kann als Teile aus Stahl oder Alu (da man keine Presswerkzeuge braucht). Allerdings ist für die Großserie Blech viel einfacher im Handling.
- Als Toyota sein erstes „Großsserien“-Wasserstoffauto, den Mirai, auf den Markt brachte, wurde ein anderer Weg gewählt. Der MVP-Ansatz wurde hier in der Produktion umgesetzt: Von außen ist das Fahrzeug ein hypermodernes Großserienfahrzeug, aber es wurde zu Beginn in Handarbeit gebaut – ohne dass es danach aussah. 3 Fahrzeuge liefen anfangs täglich vom Band6, ohne Fließband und ohne Roboter. Die lackierte Karossierie kam allerdings aus der Fließbandproduktion. Man ging also in Teilen in die Zeit vor Henry Ford zurück, mit dem die Fließbandfertigung zum weltweiten Standard wurde. Der Flaschenhals hier war die Produktion der Brennstoffzelle, die von Hand montiert wurde. Also musste der Rest der Fertigung ebenfalls nicht automatisiert werden. Auf diesem Weg konnte das Fahrzeug früh auf den Markt gebracht werden, bevor eine (voll-)automatisierte Produktionsanlage fertig war.
MVP: Bedeutung in Sport & Gaming – Most valuable player
Im Sport, vor allem im Baseball, aber auch im Gaming, ist der „MVP“ der „Most valuable player“. Irgendeine Jury kürt nach einem Spiel die Person auf dem Platz, die für das Team am wertvollsten war – durch Leistung in welcher Art auch immer. Das dient vor allem der Selbstdarstellung der Kommentatorenriege, die nicht selbst auf dem Platz steht bzw. mitdaddelt.
Kann man diese MVP-Definition auch aufs (Online-)Marketing übertragen? Selbstverständlich – und zwar zur Fokussierung auf die voraussichtlich wertvollsten Maßnahmen.
Vorschlag: Denke dir ein komplettes Team aus Ideen für Minimum Viable Products zusammen. Manche sind inhaltlich defensiver Natur, manche sind Allrounder und manche sollen aggressiv scoren.
Bewerte diese MVPs wie Spieler eines Teams im Spitzensport. Wer könnte sich als besonders wertvoll herausstellen? Kann ein offensiver Ansatz Zielgruppen vergraulen? Ist ein defensiver Ansatz zu träge für schnelle Ergebnisse? Oder ist ein Allrounder-Ansatz zu sehr Wischi-Waschi?
Wenn du dann den MVP unter den MVPs gefunden haben, kannst du vielleicht erfolgreicher durchstarten.
Über den Autor
Stefan Golling, Köln. Seit 2011 unterstütze ich freiberuflich Unternehmen bzw. Agenturen mit kreativen Ideen, Konzepten und (textlichen) Umsetzungen rund ums (Online-)Marketing. Vorher: 1998 mit Radiowerbung in Stuttgart gestartet, 2000 als Junior-Werbetexter zu Publicis München, 2001 Counterpart Köln, 2002 als Copywriter zu Red Cell Düsseldorf (heißt heute Scholz & Friends), dort ab 2007 Creative Director.
Du willst ein MVP auf den Weg bringen?
* Affiliate-Link
- https://web.archive.org/web/20160525101214/http://www.syncdev.com:80/minimum-viable-product/ ↩︎
- Sharpe, W. F. (1966). Mutual Fund Performance. The Journal of Business, 39(1), 119–138. http://www.jstor.org/stable/2351741 ↩︎
- Sharpe, William F. (1994). „The Sharpe Ratio“. The Journal of Portfolio Management. 21: 49–58. doi:10.3905/jpm.1994.409501. ↩︎
- Sharpe, W.F. (1964), CAPITAL ASSET PRICES: A THEORY OF MARKET EQUILIBRIUM UNDER CONDITIONS OF RISK*. The Journal of Finance, 19: 425-442. https://doi.org/10.1111/j.1540-6261.1964.tb02865.x ↩︎
- https://www.tesla.com/de_de/blog/mythbusters-part-2-tesla-roadster-not-converted-lotus-elise ↩︎
- https://www.automotivemanufacturingsolutions.com/joining/making-a-mirai-cle/35985.article ↩︎
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