Als Marketing-Entscheider oder Agenturmensch weißt du, dass eine super User Experience (UX) nicht vom Himmel fällt: Dein digitales Produkt ist einzigartig und damit für die (neuen) User per se verwirrend.
Um es den lieben Usern einfach zu machen (damit sie das tun, was sie sollen), sind Screendesign und Usability natürlich die Grundlage.
Auch wichtig, aber nicht immer mit der obersten Priorität gesegnet: UX-Writing. Dabei kann guter Text Handlungen auslösen (oder verhindern), und damit zwischen Erfolg und Misserfolg der Website oder App entscheiden. Außerdem kotzen sich verzweifelte User a) bei deiner Hotline aus und geben b) schlechte Rezensionen ab oder suchen sich c) ein Wettbewerbsprodukt aus. Und das alles wegen ein paar Mini-Texten, also Micropcopy etc.
Denn: Gerade die Microcopy – also die kleinen Textelemente in Apps und Websites – entscheidet oft maßgeblich über Conversion-Rates und Nutzerzufriedenheit. Also, los geht’s mit einem kurzen Crashkurs.
Starten wir direkt mit Vorher-Nachher-Beispielen – gleich unter dem Inhaltsverzeichnis.
Inhalt
- UX-Writing: Vorher-Nachher-Beispiele (mit einem Augenzwinkern)
- Warum UX-Writing so wichtig ist
- Best Practices für erfolgreiches UX-Writing
- Mehr als nur Buttons und Error Messages
- Testing und Optimierung
- UX-Writing-Checkliste
- … noch ein Don't-Beispiel
- Internationalisierung und Transcreation
- Ja, du brauchst einen Copywriter
- Drei konkrete Schritte zum UX-Writing-Projektstart:
- Fazit und Handlungsempfehlung
- Was ist UX-Writing?
- Best Practices für erfolgreiches UX-Writing
UX-Writing: Vorher-Nachher-Beispiele (mit einem Augenzwinkern)
Mit Extrem-Beispielen. Einfach durch die Tabs klicken.
Warum UX-Writing so wichtig ist
Stelle dir vor, du bist auf einer Website und siehst einen Kontaktformular-Button mit der Aufschrift „Hier klicken“.
Ja, das ist ein Call to Action. Aber er sagt nichts darüber aus, was danach passiert.
Und was hassen User? Überraschungen.
Deswegen funktionieren Buttons mit „Jetzt absenden“ oder „Kostenfrei anfragen“ besser. Was im Einzelfall besser ist, hängt vom Produkt bzw. der Aktion ab, der Marke, der Zielgruppe und der Funktion des Buttons entlang der Customer Journey.
Du kannst den Button auch beschriften mit „Jetzt durchstarten“ oder „Dein Abenteuer beginnt jetzt“. Die Wortwahl beeinflusst hier das Nutzerverhalten – und positioniert deine Marke.
Best Practices für erfolgreiches UX-Writing
1. Klarheit schlägt Kreativität, klare Kreativität ist noch besser
- Positiv: „Kostenlosen Newsletter abonnieren“
- Negativ: „In die Mailingliste eintragen“ (wobei: Diese Variante kann sogar erfolgreicher sein…)
2. Aktive Handlungsaufforderungen
- Positiv: „Jetzt Angebot sichern“
- Negativ: „Klicken Sie hier“ (Einschränkung: Solche simplen Button-Texte können in Hinblick auf Barrierearmut manchmal sinnvoll seinI)
3. Nutzerzentrierte Sprache
- Positiv: „Deine Bestellung ist unterwegs“
- Negativ: „Die Bestellung wurde versendet“ (= unpersönliche Passivkonstruktion)
4. Konsistente Tonalität
Ein Style Guide fürs UX-Writing inklusivee Microcopy ist sinnvoll, damit die Seite nicht Kraut und Rüben ist. Trotzdem muss man im Stil variieren: Im User-Onboarding freundlich und pushy, bei Fehlermeldungen lösungsorientiert.
Entscheide dich für eine Ansprache (Du/Sie). Auf dieser Seite findest du übrigens einen solchen Duzen/Siezen-Inkonsistenz-Fehler (ich lasse ihn drin, damit du ein Beispiel siehst)!
Wo kommen solche Inkonsistenzen her?
- Durch mehrere Mitglieder im Team, die nicht Hand in Hand arbeiten.
- Durch „vergessene“ Elemente nach einem (Teil-)Relaunch
- Durch die Einbindung externer UI-Elemente, wie – in diesem Fall – ein HubSpot-Formular. Zum Ändern muss man die richtige Stelle im HubSpot finden.
Mehr als nur Buttons und Error Messages
UX-Writing umfasst u.a. verschiedene Textarten:
- Onboarding-Flows
- Formularfelder
- Bestätigungsmails
- Error Messages
- Empty States
- Tool-Tips
- Navigation
- FAQs
- Cookie-Pop-ups
- Datenschutz-Texte
- … und eigentlich auch Formulardesign, Werbe-Pop-ups
- … und was nützen dir die besten Button-Texte der Welt, wenn die Landingpage-Texte nicht gut sind.
Testing und Optimierung
Relevante UX-Writing-KPIs sind u.a.:
- Conversion-Rate
- Time-to-task
- Time-on-Page
- Bounce-Rate
- Support-Anfragen
- Abbruchraten in Formularen
- Wut-Klicks (kann z.B. Hotjar)
A/B-Testing hilft. Teste verschiedene Varianten und lasse die Daten sprechen. Ein Patentrezept gibt es nicht. Achte auf die Darstellung bei verschiedenen Screengrößen.
- „Jetzt kaufen“ vs. „In den Warenkorb“ vs. „Jetzt zuschlagen“
- „Weiter“ vs. „Nächster Schritt“ vs. „Nur 2 Schritte“
UX-Writing-Checkliste
Buttons:
- Verwende aktivierende Sprache (z.B. „Jetzt bestellen“ statt „Bestellung“)
- Nenne dein Angebot (z.B. „Kostenlosen Testmonat starten“ statt „Weiter“)
- Fasse dich kurz (idealerweise 2-3 Wörter)
- Nutze Personalisierung, wo möglich (z.B. „Mein Konto erstellen“)
Tooltips:
- Biete nützliche, kontextbezogene Informationen
- Schreibe wenig (max. 1-2 Sätze)
- Vermeide offensichtliche Informationen
- Nutze einen freundlichen, hilfreichen Sound
- Oder binde direkt den König der Tooltips ein: einen RAG-gefütterten KI-Chatbot
Fehlermeldungen:
- Erkläre klar, was das Problem ist (der User ist nie das Problem)
- Biete eine Lösung oder nächste Schritte an (statt nur „Geht nicht, Pech gehabt“)
- Verwende einen beruhigenden, nicht beschuldigenden Ton
- Nutze Humor nur, wenn du weißt was du tust
Formularfelder:
- Gebe klare, präzise Anweisungen
- Nutze Platzhaltertext für Beispiele
- Erkläre Formatierungsanforderungen (z.B. für Passwörter.)
- Markiere Pflichtfelder deutlich
Bestätigungsnachrichten:
- Bestätige die erfolgreiche Aktion
- Gebe klare next steps an
- Nutze einen positiven, ermutigenden Sound
- Biete zusätzliche relevante Informationen oder Links / Sharing Buttons
Navigationselemente:
- Verwende klare, beschreibende Begriffe
- Gruppiere verwandte Elemente logisch
- Vermeide Fachchinesisch oder Corporate Lingo
Ladebildschirme:
- Informiere über den Fortschritt
- Nutze die Zeit, um nützliche Tipps oder Informationen zu geben
- Der Sprachstil sollte unterhaltsam sein
- Gebe eine realistische Zeitschätzung an, wenn möglich
Onboarding-Texte:
- Erkläre die Kernfunktionen kurz und prägnant
- Führe den Nutzer Schritt für Schritt für Schritt durch (die Zahl der Schritte kann man kommunizieren…)
- Betone den Nutzen für den User – also die künftige Experience!
Empty States:
- Erkläre, warum der Bereich bzw. das Feld leer ist
- Gebe klare Anweisungen, wie man Inhalte hinzufügt
- Nutze die Gelegenheit, um Funktionen zu erklären
Datenschutz- und Einwilligungstexte:
- Sei transparent und ehrlich, im Rahmen der Möglichkeiten („Wir verkaufen deine Daten an 2.000 eigenartige Firmen“ muss nicht nach oben)
- Erkläre komplexe Konzepte in einfacher Sprache und mit kurzen Sätzen.
- Vermeide juristische Fachsprache, wo möglich. Das ist tricky, geht aber.
… noch ein Don’t-Beispiel
Dieses Inline-Newsletter-Anmeldeformular ist a) ein Test und b) nicht erfolgreich.
2 Gründe – der Offensichtlichste kommt als Nummer 2:
- Unklarer Prozess: Technisch ist das Formular spannend. Es ist ein mehrstufig aufgebautes HubSpot-Formular (das gibt es nicht out of the box, das erfordert Code). Es, ähem, suggeriert, dass man nur die E-Mail-Adresse eingeben muss – und alles ist paletti.
Blöd: Das stimmt nicht. Statt „Jetzt abonnieren“ steht da „Weiter“, und danach kommen noch mehrere Stages, bei denen der User seinen kompletten Datensatz hinterlegen muss. Ohne Vorankündigung. Hass!
Teste auch bitte die Error Message: Klicke mal auf weiter, ohne E-Mail-Adress-Eingabe, und lese das Pop-up. Es ist ein wenig zu frech.
Trotzdem ist die Abbruchquote vielleicht gar nicht schlecht – denn wenn niemand auf den ersten Weiter-Button klickt, gibt’s auch keine Abbrüche. Man hüte sich also vor Schein-KPIs. - Unklarer Kundennutzen: „Der Glückskeks unter den Newslettern.“ Ja genau. Wer ist die Persona? Leute, die mit ihren Daten für die Teilnahme an einem Mini-Glücksspiel zahlen, bei dem es wenig (= nichts) zu gewinnen gibt. Was wäre besser: „KI im Business: Wöchentlicher Newsletter. 15.000 Abonnenten.“ (-> Lerneffekt: Botschaften wandeln sich mit der Zeit.)
Internationalisierung und Transcreation
Bei internationalen Projekten reichen simple Übersetzung oft nicht aus. Man braucht also Transcreation: Botschaften müssen kulturell angepasst werden. Was in Deutschland funktioniert, kann in anderen Märkten völlig anders ankommen. Das fängt schon damit an, dass man in Deutschland immer öfter duzt. In Frankreich wird aber meist gesiezt (Siezen plus Vorname… üble Sache). Das hat Einfluss auf die gesamte Sprache der Marke.
Beispiel: Aus einem englischen „Get started“ wird evtl. ein deutsches „Los geht’s“ und ein französisches „Commencez“.
Ja, du brauchst einen Copywriter
Websites bestehen nicht nur aus UX-Elementen, und User nehmen digitale Produkte als Gesamtprodukt war. Das bedeutet: Lasse dir dein UX-Writing von einem Copywriter schreiben; die meisten UX-Writer sind ja (hoffentlich) auch Werbetexter. Gründe:
- UX-Elemente sind das i-Tüpfelchen. Wenn die Basics einer z.B. Landingpage vergurkt sind, retten die besten UX-Texte gar nix. Ein Beispiel für einen Conversion-Booster kann ein Design- und Argumentations-Relaunch einer Seite sein, mit Video statt Headerbild. Buttons sind da im ersten Schritt wirklich nur nebensächlich.
- Denkt Markenführung, Personas, Customer Journey mit
- kann sich in Zielgruppen einfühlen (auch in den DAU, der kein DAU ist, sondern einfach ein ganz normaler Mensch – gilt auch im B2B-Marketing)
- ist vielleicht fit im Bereich Online-Marketing-Consulting
- kann Content Marketing und normalerweise auch SEO
- kann vielleicht auch CRM & Marketing Automation & B2B-Leadgenerierung
- kennt sich vielleicht mit Website-Audits aus
- kann auch mal 4 Wörter am Stück schreiben, bspw. die gesamte Landingpage. Und das Banner dazu. Und die Whitepaper. Und die (Transaktions-)Mails. Und die mehrstufige Mailingstrecke.
Drei konkrete Schritte zum UX-Writing-Projektstart:
- Audit bestehender Texte machen
- Optimierungen testweise einarbeiten
- Erfolgsmessung einrichten (A/B-Test, Heatmaps, …)
- Auf Basis von Erfolgen Style Guide entwickeln (und nicht vorher…)
- Plane Reviews ein
Fazit und Handlungsempfehlung
UX-Writing ist eine Investition in den Geschäftserfolg. Gute Microcopy, Headlines und Longcopy:
- reduzieren Support-Anfragen und entlasten damit das Team
- steigern Conversion-Rates und bringen dadurch mehr Umsatz bzw. Profit
- verbessern die Nutzerzufriedenheit und erhöhen damit die Weiterempfehlerquote
- stärken die Markenbindung und reduzieren damit Churn und senken damit Kundengewinnungskosten
Über den Autor
Stefan Golling, Köln. Seit 2011 Freelance Creative Director, freier Texter, Creative Consultant und Online-Marketing-Berater mit Kunden von Mittelstand bis S&P 500. Erfahrung: 1998 mit Radiowerbung in Stuttgart gestartet, 2000 als Junior-Werbetexter zu Publicis München, 2001 Counterpart Köln, 2002 als Copywriter zu Red Cell Düsseldorf (heißt heute Scholz & Friends), dort ab 2007 Creative Director.
Artikel zu ähnlichen Themen
- Öffentlichkeitsarbeit: Instrumente, die auch Digital und Social funktionieren
- Employer Branding Kampagnen: Darum solltest du viel mehr KPIs messen
- Recruiting: Vom Employer Branding zum Job Content Branding
- Dynamic Pricing, mal echt anschaulich
- Marketing Automation: 3fach gedacht, plus Customer Experience
- UX-Writing Crashkurs: Do’s und To do’s
- Social-Media-Management-Workflow? Mehrsprachig!
- Website-Audit-Planungshilfe
- KI: Machine Learning, Generative KI & RPA als Team
- Prompting aufgeschlüsselt: Vieles ist unsichtbar
- KI-Bildgenerierung: SVG, Diffusion oder GAN?
- LLMs verstehen: Token und Vektoren als Dashboard
- Claude: Was kann die KI von Anthropic?
- Performance Marketing: Leistung braucht Kreativität
- Marketingberatung: Erst das Rezept, dann ans Werk
- Social Selling: Hallo wer? Oder Ja gern?
- KI-Ethik und EU AI Act: Mitdenken ist Pflicht
- Customer Journey: Das Ziel ist das Ziel
- Chat GPT: Überblick, GPTs nutzen, Alternativen
- Google Gemini: KI mit Riesenhirn
- Statt Online Marketing Agentur: Flexibler mit Freelancern?
- TikTok für Unternehmen: 4 schnelle Tipps plus Ads-Tutorial
- KI-Videogenerator: Meine Testergebnisse
- KI-Bild generieren: und die Lizenz? Mit Vergleichstest!
- Hugging Chat Assistants: Alternative zu Custom GPTs
- Marketingmaßnahmen als 5-Dimensionen-Modell (mit Chat Bot)
- Hugging Face Spaces: der KI-Abenteuerspielplatz
- Chat GPT: Plus? Nein. Team? Ja. 2 Gründe
- Prompt Engineering: 5 Text-to-Text-Konzepte für Nicht-Nerds & Ausblick
- KI im Marketing: Turbo-Praktikanten und die Zukunft
Was ist UX-Writing?
UX-Writing umfasst alle Texte, die Nutzer durch ein digitales Produkt führen und mit ihm interagieren lassen. Das reicht von Microcopy wie Button-Beschriftungen über Fehlermeldungen bis hin zu längeren Erklärtexten. Gutes UX-Writing ist klar, prägnant und nutzerorientiert. Es hilft Nutzern, ans Ziel zu kommen – und das macht sie happy.
Best Practices für erfolgreiches UX-Writing
- Sei klar und präzise: Vermeide Fachchinesisch (außer du hast eine chinesische Fachzielgruppe) und komplizierte Sätze. Nutze einfache, verständliche Sprache.
- Sei konsistent: Verwende durchgängig die gleichen Begriffe und einen einheitlichen Feels-like-Home-Sprachsound. Sei trotzdem offen für Varianten. Term-Datenbanken sind eine Hilfe; Übersetzer kennen diesen Trick.
- Sei nutzerorientiert: Stelle dir immer die Frage, was der Nutzer in dieser Situation wissen oder tun möchte.
- Sei positiv: Formuliere Texte so, dass sie Nutzer ermutigen und unterstützen, statt sie zu kritisieren oder zu erziehen.
- Sei relevant: Liefere genau die Information, die der Nutzer an diesem Punkt benötigt – nicht mehr und nicht weniger. Für Plauderton sind durchgetaktete Verkaufsgespräche nicht der richtige Zeitpunkt.
- Sei persönlich: Sprich Nutzer direkt an und verwende „du“ statt „der Nutzer“.
- Sei aktionsorientiert: Formuliere Texte so, dass sie zu konkreten Handlungen animieren.