Marketing-Digitalisierung: Mehr als nur Software und Automatisierung

Bunte Papier-Schiffe auf einem Tisch. Analogie zu Marketing-Digitalisierung: Man muss sich was basteln.

Digitale Transformation? Hurra! Problem: Sie macht Arbeit, speziell auch in der Marketing-Digitalisierung. Es kommt nicht selten vor, dass viel über Software und digitale Tools diskutiert wird. Doch der Erfolg liegt nicht in der Software allein – es kommt auch auf durchdachte Strategien, kreative Köpfe und ein echtes Verständnis für Kundenbedürfnisse bzw. den Kundennutzen an.

Inhalt

Stakeholder Wheel

Man ahnt es schon: Marketing-Digitalisierung benötigt einige externe Dienstleister, und dazu sind zahlreiche interne Abteilungen involviert. Dieses symbolische Stakeholder Wheel zeigt die Gemengelage. Für einen initialen Projekterfolg – der anschließend in smoothes Tagesgeschäft überführt werden soll – ist deshalb agiles Projektmanagement absolut hilfreich, sonst dreht man sich (nicht nur sprichwörtlich) im Kreis.

Eine zentrale Rolle hat dabei, wenn man es so organisiert, ein Head of CX. Die Person (oder das Team) kann dem Marketing entspringen, was ich für sinnvoll erachte, oder aus der IT-Welt. In jedem Fall sind sowohl Marketing- als auch IT-Verständnis erforderlich, und das sind teilweise konträre Denkwelten. Ein paar Leute können beides.

Head of CX

Rollen und Aufgaben der Stakeholder:

C-Suite: Strategische Führung und Budget-Verantwortung
• CEO: Gesamtstrategie und Vision
• CFO: ROI und Budgetierung
• CTO: Technologie-Stack
• CMO: Marketing-Strategie
Marketing: Marketing Operations & Strategie
• Kampagnenplanung und -roll-out
• Content-Strategie
• Brand Management
• Performance Marketing
• Marketing Analytics
Sales: Vertrieb und Kundenakquise
• Lead Management
• Sales Pipeline
• Account Management
• Vertriebssteuerung
• Sales Enablement
Product Management: Produktentwicklung und -strategie
• Produktroadmap
• Feature-Priorisierung
• User Stories / Kundennutzen
• Product Analytics
• Market Requirements
Customer Service: Kundenbetreuung und Support
• Ticket Management
• Knowledge Base (wichtig auch für Chatbots)
• Customer Feedback
• Service Level Agreements
• Quality Assurance
IT: Technische Implementierung und Wartung
• System-Architektur inkl. Lizenz- und Kostenmanagement
• Datenintegration
• Security & Compliance
• Performance Monitoring
• Technical Support

IT-Beratung: Technische Expertise und Implementierung
• Systemarchitektur-Beratung
• Technische Spezifikation
• Implementation Support
• Change Management
• Best Practices
Digitalagentur: Kreative Umsetzung und Design
• UX/UI Design
• Customer Journey Mapping
• Content Creation
• Campaign Design
• A/B Testing
CRM-Dienstleister: CRM-System und Integration
• Salesforce/SAP/HubSpot-Implementierung
• Customizing
• Datenmodellierung
• Workflow-Automation
• System Integration
Analytics Partner: Datenanalyse und Reporting
• KPI Definition
• Dashboard-Entwicklung
• Predictive Analytics
• Customer Insights
• ROI Tracking
Tech Vendor: Software und Tools
• Marketing Automation
• CDP/DMP Systeme
• Analytics Tools
• Integration Platforms & Cloud
• Security Solutions
Training Partner: Schulung und Change Management
• User Training, ggf. (Re-)Zertifizierungen
• Skill Development
• Best Practice Workshops
• Dokumentation
• Wissenstransfer

Marketing-Digitalisierung: Basis-Architektur

Marketing-Digitalisierung ist, wenn man es richtig macht, gleichzeitig ein kreatives Thema und ein Datenthema. Gehen wir mal die Customer Journey grob durch:

  • Leadgenerierung: Schaltung von (automatisierten) Ads -> Dafür brauche ich idR eine kreative Digital- und Mediaagentur (oder einen Freelancer wie mich, knickknack) für:
    • Kreativstrategie
    • Definiton Customer Journeys und/oder Personas
    • Gestaltung der (Video-)Anzeigen, Lead Magnets (Whitepaper etc.), Landing Pages
    • Mediaplanung
    • Ad-Generierungs-und-Ausspielungs-Automatisierung
  • Leadwerdung: Ein möglicher Neukunde lässt seine Kontaktdaten da. Hier komme ich dann in die CRM-Welt rein.
    • Lead-Qualifizierung (Zeitdieb, möglicher Kunde in 2 Jahren, möglicher Kunde morgen, Bestandskunde, Ex-Kunde etc.)
    • Ggf. Abgleich der Lead-Daten mit dem ERP-System (A/B/C/VIP-Kunde?)
    • Übergabe an Sales, wenn sinnvoll
  • Datenquelle -> CDP / DMP: Im Idealfall gibt es eine zentrale Datenquelle fürs Lead-/Kundendatenmanagement (oder einen funktionierenden Datenaustausch). Die Kontakte müssen segmentiert werden und brauchen ein (oder mehrere) Datenmodelle. Da braucht man CRM-/CX-Software-Spezialisten, teils auch E-Commerce-Profis.
  • Marketing Automation: Um aus den Leads irgendwann (wieder) Kunden zu machen, brauchen wir Lead Nurturing (im einfachsten Fall ist das ein Newsletter, und für den braucht man Templates [-> Agentur] und Inhalt [-> Text, Bilder] und Landing Pages mit Content bzw. einen Shop). Übers Kampagnen-Management inkl. Retargeting kommen wir wieder an die Leute ran, die wir auf dem Schirm haben, die aber noch nicht Lead geworden sind. On top brauchen wir noch transaktionelle Mails, z.B. Reminder-E-Mails bei Warenkorbabbrüchen, Geburtstagsgutscheine etc. Hier brauchen wir Leute, die die automatisierte Journeys bauen (und die für die E-Mail-Templates das Brand Design richtig anwenden und zudem sehr gutes Copywriting nutzen.)
  • Wenn wir dann die weiteren Touchpoints erfolgreich bespielt haben (bei B2B hätten wir u.a. Messen, bei FMCG u.a. den POS / FMOT), wird hoffentlich aus einem Lead ein Kunde. Dadurch haben wir Änderungen an den Kundendaten im CRM- bzw. ERP-System. Dadurch passt sich im Anschluss das Verhalten der Marketing Automatisierung an, denn der Lead ist jetzt im Segment „Kunde“ – hier ist das Ziel „Kunden halten“ (bzw. Churn Prevention), wofür teils anderer Content hilfreich ist und das Thema Analytics ein komplett anderer Schnack ist (Stichwort: Machine Learning).
  • Zusätzlich sollte man den Kundenservice mitdenken, mit Ticket-Systemen, Call Center, Chatbots, Self Service Tools etc.
graph TD
    A[Datenquellen] --> B[CDP/DMP]
    B --> C[Marketing Automation]
    C --> D[CRM]
    D --> E[Analytics]
    E --> B
    C --> F[Kampagnen-Management]
    F --> G[Multichannel-Delivery]
    G --> H[Kunden-Touchpoints]
    H --> A

Marketing-Automation-Plattformen im Vergleich

Hier ist ein kleiner Vergleich von Salesforce, HubSpot und der SAP CX Suite. Meistens ist die Auswahl für Unternehmen relativ einfach, da sie eine andockbare Lösung an die Bestands-IT suchen. Ins Relevant Set könnte man noch Adobe und das Microsoft CRM reinnehmen, und und und… außerdem gibt es immer die Möglichkeit, sich selbst etwas zu stricken, mit einer (Nicht-)Datenbank in der eigenen Cloud, Middleware, Spezial-(SaaS-)Tools und einem eigenen Frontend.

Viel wichtiger ist: Welche Ziele habe ich? Welche Werkzeuge gebe ich den Teams an die Hand? Was ist der Workflow? Da kommen dann auch mögliche Kombinationen ins Spiel: Es gibt Unternehmen, die gleichzeitig Salesforce und HubSpot einsetzen, weil die Tools verschiedene Einsatzgebiete und Stärken haben.

PlatformStärkenSchwächenIdeal für
Salesforce– Umfassende Integration
– Starkes CRM
– Große Community
– Hohe Kosten
– Komplexität
– Steile Lernkurve
Enterprise
HubSpot– Benutzerfreundlich
– Inbound-Marketing-Fokus
– (teils) gutes Preis-Leistungs-Verhältnis
– Begrenzte Customization (bzw. wenige HubML Spezialisten verfügbar)
– Skalierungskosten
KMU
SAP CX Suite– Enterprise-Level
– Tiefe Integration
– Starke Analytik
– Einbindung ins ERP
– Hohe Implementierungs-Kosten
– Komplexe Administration
Großkonzerne

Best Practices für die Implementation

  1. Datenqualität sicherstellen
    • Bereinigung bestehender Daten
    • Definition von Datenstandards
    • Implementierung von Validierungsregeln
  2. Change Management
    • Frühzeitige Einbindung der Fachabteilungen
    • Schulungskonzept entwickeln
    • Kommunikationsplan erstellen
  3. Schrittweise Migration
    • Pilotprojekt mit ausgewählten Brands / Märkten
    • Iterative Erweiterung
    • Kontinuierliche Optimierung

Integration in bestehende Systeme

Die Integration von Marketing-Automation-Lösungen in bestehende Unternehmensstrukturen ist eine komplexe Aufgabe. Zwei Beispiele, die den Aufwand veranschaulichen:

SAP CX-Suite Integration

  1. Implementierung der Customer Data Platform (CDP)
  2. Anbindung an bestehende SAP-Systeme (ERP, CRM)
  3. Integration von Emarsys für Kampagnenmanagement
  4. Einrichtung des Customer Data Cloud (CDC)
  5. Konfiguration der Cross-Channel-Orchestrierung

Salesforce Integration

  1. Core CRM Setup
  2. Marketing Cloud Implementation
  3. Integration mit Sales Cloud
  4. Pardot/Account Engagement Setup
  5. Analytics Cloud Anbindung

Und Robotic Process Automation (RPA)?

RPA-Tools automatisieren repetitive Aufgaben und verbessern die Effizienz:

  • UiPath: Automatisierung von Datenerfassung und -migration
  • Salesforce Agentforce: Integration von KI-gestützten Automatisierungen
  • Microsoft Power Automate: Low-Code-Workflows und Prozessautomatisierung
  • Generative KI: Kann bei Kundenkommunikationsauswertung und bei der Content-Erstellung helfen.
  • Und dann kommen noch die KI-basierten RPA-Lösungen (woran alle im Markt arbeiten, wie Claude, Microsoft, Meta…), mit denen die Systemgrenzen von monolithischen Daten- und Softwarepools überwenden werden. Technisch gesehen bedient dann die KI Tastatur und Maus, und kann den Bildschirm lesen. Trotzdem muss man sich als Mensch vorher genau überlegen, was jetzt eigentlich zu tun ist und welchen Output man braucht. Beispiel: „Liebes Salesforce, lege mir in der Kampagne ‚Newsletter Deutschland‘ eine neue ‚Marketing Action‘ für Deutschland an und erstelle mir dazu [in der Marketing Cloud] eine E-Mail auf Grundlage des Templates und trage die Tracking ID ein. Hole dir den Text für die E-Mail von dieser PPT im Sharepoint {{Dateiname}}, Folie 39, und nehme Bilder aus diesem Sharepoint-Ordner {{Pfad}}.“
    Das geht (noch) nicht out of the Box, aber viel fehlt nicht. Und es bleibt die Frage: Lohnt sich der Automatisierungsaufwand, wenn es diese Aufgabe nur alle 2 Wochen gibt? Oder macht man’s lieber von Hand, weil es zu viele Variablen gibt?
    Bei repetetiven Sachbearbeitungs-Aufgaben ist der Use Case einfacher zu berechnen.

Der Mensch macht’s

Trotz aller Technologie gilt: Der Erfolg deiner Marketing-Aktivitäten hängt von Menschen ab – sowohl auf der Planungs- als auch auf der Empfängerseite. Hier sind die wichtigsten Aspekte:

Strategische Planung

  • Klare Zieldefinition – diese Entscheidungen nimmt dir kein Computer ab
  • Kundennutzen verstehen – hier helfen Daten, der Schlüssel ist aber Kommunikation
  • Content-Strategie – die erfordert einen Mischung aus Daten und Psychologie
  • Channel-Mix – ein wenig Bauchgefühl ist hilfreich

Kreative Umsetzung

  • Branding & Brand Storytelling – wenn es nicht nach Canva aussehen soll, müssen Fachleute ran
  • Personalisierte Ansprache – dafür muss man die (möglichen) Kundengruppen wirklich verstehen
  • Relevante Inhalte – statt generischem Blabla

Fazit

Die Marketing-Digitalisierung ist ein Großprojekt. Meistens gibt es in Unternehmen bereits Teilerfolge, aber oft sind einige Lösungen angestaubt – oder verstauben sogar. Die Teams sind dann unhappy, die Erfolge bleiben aus und der Elan ist dann auch weg.

Was schafft Abhilfe? Frischen Wind reinbringen. Dabei hilft ein Blick von außen (und zwar nicht nur von Software-Vertrieblern), gepaart mit Workshops und einem End-to-End-Audit, um zu erkennen wo es hakt. Der Schlüssel zum Erfolg liegt hier in der Balance zwischen technolgischem Fortschritt und menschlicher Expertise. Denn schließlich nutzen wir IT in Marketing & Vertrieb nicht aus Selbstzweck, sondern um Kunden zu begeistern.

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Über den Autor

Stefan Golling, Köln. Seit 2011 Freelance Creative Director, freier Texter, Creative Consultant und Online-Marketing-Berater mit Kunden von Mittelstand bis S&P 500. Erfahrung: 1998 mit Radiowerbung in Stuttgart gestartet, 2000 als Junior-Werbetexter zu Publicis München, 2001 Counterpart Köln, 2002 als Copywriter zu Red Cell Düsseldorf (heißt heute Scholz & Friends), dort ab 2007 Creative Director.


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