Social Selling: Hallo wer? Oder Ja gern?


Social Selling: Networking mit vielen Touchpoints

Social Selling ist so alt wie die Menschheit: Sozialer Kitt hilft beim Verkaufen, auch wenn der Weg zum Sale lange dauern kann. Das war schon immer so, und wird immer so bleiben. Hier sind ein paar Tipps zum Social Selling, auch zur Leadgenerierung, inklusive Herausforderungen, Lösungen, B2B und ein wenig theoretischem Background (Small World Problem und Tipping Point).

Inhalt

Über den Autor

Stefan Golling, Köln. Seit 2011 Freelance Creative Director, freier Texter, Creative Consultant und Online-Marketing-Berater mit Kunden von Mittelstand bis S&P 500. Erfahrung: 1998 mit Radiowerbung in Stuttgart gestartet, 2000 als Junior-Werbetexter zu Publicis München, 2001 Counterpart Köln, 2002 als Copywriter zu Red Cell Düsseldorf (heißt heute Scholz & Friends), dort ab 2007 Creative Director.

Social Selling: Cold Call 2.0 oder mehr?

Social Selling ist eine Verkaufstechnik, bei der der Aufbau sozialer Interaktion zwischen Verkäufer und (möglichem) Käufer im Vordergrund steht. Es ist also vor allem Kaltakquise, nur eben über soziale Netzwerke – und als Marathon angelegt, da man nicht direkt ins harte Verkaufsgespräch reingeht.

Stattdessen geht es beim Social Selling um den Aufbau eines Vertrauensverhältnisses, und dafür muss man u.a. nett sein, hilfreich sein, wertvolle Tipps geben, inspirieren und Verständnis zeigen.

Einfach nur „Cold Calls“ in Form von LinkedIn-Mails zu nutzen ist in der Regel zu unterkomplex. Das wird einem zwar als „Social Selling“ verkauft, aber sind wir mal ehrlich: Wildfremde Akquisiteure beauftragen, die mit ChatGPT-generierten InMail-Nachrichten auf LinkedIn versuchen, Telefontermine für den Auftraggeber einzusammeln, ist schon ziemlich verzweifelt. Das kann übrigens tatsächlich funktionieren, da der externe Kaltakquisiteur teils als Matchmaker gesehen wird, mit dem man nicht so streng umgeht wie mit laienhafter Holzhammer-Akquise des Anbieters selbst.

Das Thema groß auf die Agenda gebraucht hat LinkedIn mit dem Social Selling Index (SSI), einem ausgedachten Benchmark. Aber klar, ein ausgedachter Benchmark ist besser als keiner. Um den Score zu erhöhen, auf maximal 100 Punkte, musst du dein Netzwerk ausbauen und Sachen posten. Dabei hilft der Sales Navigator, und der kostet ab 80 Euro im Monat.

Social Selling Agentur? Ein Teil des Akquise-Mix

Also, du willst was verkaufen. Du kannst es allein über Social Selling versuchen, vielleicht mit einer spezialisierten Social-Selling-Agentur mit Schwerpunkt LinkedIn. Der Haken an der Sache: Du erreichst nur Zielkunden, die auf sozialen Medien aktiv sind.

Es gibt nicht wenige (Top-)Entscheider, die keine Zeit und Lust für LinkedIn haben. Manche Top-Top-Entscheider pflegen ihr LinkedIn ohnehin nicht selbst, sondern nutzen ihr Team oder eine Agentur. Das bedeutet: Dein Social Selling Team interagiert mit subalternen Mitarbeitern – also quasi mit den Vorzimmerdrachen, wie in der Telefon-Akquise-Welt auch.

Die Lösung: Du musst deine Neukundengewinnung auf ein breiteres Fundament stellen. Im ersten Schritt solltest du deine Customer Journeys und Personas überprüfen und ggf. optimieren. Die zentrale Frage ist, welche Leute du an welchen Touchpoints an die Angel bekommst.

(B2B) Social Selling als Teil des Marketing-Mix

  • Social Selling über LinkedIn: Klappt bei den LinkedIn-Nutzern, sollte aber evtl. nur ein Punkt der Marketingmaßnahmen sein.
  • Inbound Marketing: Über (Blog-)Artikel, Whitepaper, Videos, Podcasts, (Social) Ads etc. Damit bekommst du Leute, die akuten Wissens- oder Lösungsbedarf haben; teils sind sie in der Customer Journey schon recht weit. Interessant! Außerdem brauchst du fürs Social Selling ohnehin Content, und den solltest du zusätzlich auf deine Website stellen. Also: Contentstrategie aufsetzen.
  • (Fach)-Medien: Fachartikel / Gastbeiträge, PR und Werbung schärfen das Kompetenzprofil. Ist allerdings aufwändig, und je nach Branche sind die Medien weniger oder mehr relevant.
  • Messen & Events: Da kommt man direkt mit den Leuten ins Gespräch, aber natürlich nur mit denen, die auf die Messe kommen.
  • Direct Mails: Du kannst auch Werbebriefe schreiben. Why not? Kann funktionieren.
  • CRM: Muss man auch immer mitdenken.
  • Account Based Marketing: Wenn die Zahl deiner Zielkunden und Zielbranchen überschaubar ist, sollten Vertrieb und Marketing zusammenarbeiten. Wer sind die Kunden? Welche Herausforderungen hat die Branche, wirtschaftlich oder regulatorisch? Was machen die Wettbewerber der Zielkunden so? Mittels Recherche und Analysen kommt man dann manchmal auf sehr gute Akquise-Ansätze und Content-Ideen.
  • Und vieles mehr

Dein relevanter Sales-Kontakt ist im Schnitt 6 Kontakte entfernt

Die Ideen hinter Social Selling ist, dass ein Kontakt etabliert wird – zu jemandem den man nicht kennt. Einfacher klappt das, wenn man gemeinsame Bekannte hat. Das gibt es, aber nicht immer. Deswegen solltest du dich nicht direkt drauf verlassen. Denn meistens liegen 5 bis 6 Kontakte dazwischen. Oft kennt man Kontakte dritten Grades, LinkedIn zeigt das ja an, aber die spannt man ungern für die Akquise ein.

Für die Zahl der Zwischenschritte ist das weithin bekannte Small World Problem („An Experimental Study of the Small World Problem“) von Jeffrey Travers und Stanley Milgram (1969) aus der analogen Welt ist ganz anschaulich. Das Small-World-Problem wirft die Frage auf, wie klein die Welt ist.

Der Ausgangspunkt: 296 Leute in Nebraska und Boston bekamen einen Brief, den sie alle an eine Zielperson – ohne Adresse – in Massachusetts weiterleiten sollten.

Die Frage: Wie geht das? Als Teilnehmer musstest du in deinem Bekanntenkreis herumfragen, wer denn die Zielperson am ehesten kennen könnte. Die Teilnehmer entwickelten also jeweils für sich einen Social-Network-Algorithmus mit hinterlegten Wahrscheinlichkeiten.

Das klappte sogar, im Schnitt waren es 5,2 menschliche Zwischenstopps vom Start bis zum Ziel.

Die wesentliche Erkenntnis war aber, dass 48 % der „Transportketten“ über 3 Personen lief – nämlich enge Freunde der Zielperson.

Das bedeutet: Es gibt extrem vernetzte Superstars, die a) echt viele Leute kennen und b) die auch gern gekannt werden wollen. Das ist ja immer eine beidseitige Angelegenheit.

Außerdem verbinden diese Leute höchst unterschiedliche lokale, soziale und wirtschaftliche Sphären.

Natürlich ist die Studie heute nicht mehr so relevant. Du kannst bei LinkedIn oder via Suchmaschinen nach Leuten suchen und sie kontaktieren.

Da dann allerdings der soziale Kitt fehlt – Post von Wildfremden (oder, noch schlimmer, Kaltakquise) ist ein ungebetener Gast – kommt der Kontakt zwar leichter zustande, aber dein Kommunikationsziel erreichst du nicht unbedingt.

Du kennst das auch von manchen Golfclubs, Service Clubs oder manchen Vereinen: Da kommst du nicht einfach rein. Da brauchst du einen (oder mehrere) Bürgen. Ohne persönliche Kontakte kommt man schwierig (bzw. nicht) rein.

Social Massen-Selling: „The law of the few” von Malcolm Gladwell

Social Selling ist nicht auf den 1:1-Beziehungsaufbau beschränkt. Als (Corporate) Influencer kannst du hunderte, tausende und mehr Follower / Fans inspirieren bzw. entertainen.

Die Frage hier: Welche Rolle und Haltung sollte man einnehmen?

Malcolm Gladwell, kanadischer Journalist und Autor, beschäftigte sich im Jahr 2000 in seinem Besteseller-Buch „The Tipping Point: How Little Things Can Make a Big Difference“ mit dem Phänomen, dass soziologische Phänomene erst epidemisch und dann manchmal endemisch werden.

„Virales Marketing“ zielt darauf ja ab: Mittels Influenzern (die Nähe des Wortes zur Influenza ist nicht abwegig), sollen Massentrends geschaffen werden.

Die Influencer haben ihre soziale Anerkennung vorher selbst erreicht – sie sind damit Social-Selling-Experten und -Gatekeeper. Du willst ins Social-Selling-Network der Influencer, den Marketing-Botschaften-Superspreadern? Dann lege Geld auf den Tisch, aber nicht zu knapp.

Influencer-Marketing ist also irgendwie auch Social Selling.

Gladwell hat 3 Typen von Word-of-Mouth-Superspreadern definiert, die fürs Gelingen von bspw. Marketingmaßnahmen / Hypes nötig sind:

  • Connectors: Das sind die bestens vernetzten Leute, die Spaß am Networking haben. Solche Leute sind nett, tendenziell oberflächlich und inspirieren viele Leute. In der Social-Media-Welt ist das die typische Influencerin.
  • Mavens: Da sind die Erklärbären, Tutorial-Macher, Alltagshelfer, Lehrer – also (schlaue) Leute, die gern Wissen teilen. In der Social-Media-Welt ist das der Tutorial-YouTuber, oder der Fachmann auf LinkedIn für Marketing, KI o.ä.
  • Salesmen: Die Verkäufer. Was ist die Aufgabe eines Verkäufers? Das Verkaufen? Nein. Das überreden (bzw. überzeugen) im Rahmen von Verhandlungen. Es geht um den Aufbau von Vertrauen, mit dem Ziel den „Deal zu closen“. Strukturvertriebe haben sich lange darauf verlassen: Du lockst „Verkaufstalente“ mit Provisionen an, und dann sollen die mal schön den Verwandten- und Bekanntenkreis akquirieren – bspw. Versicherungen verkaufen. Ist die Lead-Quelle erschöpft, sucht sich der Strukturvertrieb neue „Verkaufstalente“.

Was brauchst du also für dein Social Selling? Alle drei Typen.

Nehmen wir als Beispiel ein Unternehmen, das auf LinkedIn seine Chefs als „Corporate Influencer“ inszenieren will. Hier könnte man, passend zu den Charakteren der Leute, Rollen verteilen.

  • Connector: Das kann der CEO sein, aber auch der CMO, oder einfach die Person mit dem größten Talent fürs Networking.
  • Maven: Hier geht es ums Aussenden von intelligenten Botschaften. Hierfür kann der CEO, CIO, CTO o.ä. ideal geeignet sein. Botschaften: Leadership, Fachthemen, HR. Auf LinkedIn bezogen: Die Rolle Maven könnte zusätzlich den Job „intelligente Kommentare hinterlassen“ machen.
  • Salesmen: Das kann der Vertriebsleiter machen, auch wenn das vielleicht ein wenig zu offensichtlich ist. Für den CMO ist das ebenfalls eine geeignete Rolle. Mögliche Themen für Posts sind Messen, Konferenzen, Selfies mit Kunden, also soziale Interaktion.

Hinweis: Corporate Influencer sind nicht immer die Unternehmensinhaber, und damit sind mögliche Jobwechsel ein Thema. Gerade deswegen kann es sinnvoll sein, mehr Leuten im Team das „Corporate Influencing“ zu ermöglichen und sie darauf zu schulen. Wenn dann jemand geht (und seine Kontakte mitnimmt, klar), ist es nicht so schlimm, es sind noch genug Leute übrig.

Und wie muss die Botschaft sein?

„Sticky“, laut Gladwell. Also edgy. Also einprägsam. Aber das versteht sich von selbst. Knackige Botschaften formulieren ist tricky, da darf man sich gern vom Profi helfen lassen.

Fazit

Social Selling ist sinnvoll und Erfolg versprechend. Bedenke dabei: Nutze es nicht als einziges Tool, stelle dich auf viel Arbeit ein, habe Geduld und hole dir Support ins Team – speziell bei Themen wie Konzeption und Content. Authentizität und Glaubwürdigkeit musst du dir erarbeiten, und vielleicht trägt die Mühe erst in Monaten oder Jahren Früchte. Packe deshalb auch Sofortmaßnahmen in den Mix, und handhabe es agil: Viel ausprobieren, optimieren und daraus lernen.

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FAQ

Was ist die Definition von Social Selling?

Social Selling wird meist definiert als die langsame Anbahnung von Verkäufen – speziell im Bereich “Business to Business”, also zwischen Unternehmen. Mittels Kaltakquise wird versucht, a) Kontakte herzustellen und b) Vertrauen mittels authentischer Kommunikation zu schaffen. Das Ziel ist ein Verkaufsabschluss. Als simpelste Faustregel kann man annehmen:

Was ist B2B Social Selling?

Social Selling wird meist definiert als die langsame Anbahnung von Verkäufen – speziell im Bereich “Business to Business”, also zwischen Unternehmen. Mittels Kaltakquise wird versucht, a) Kontakte herzustellen und b) Vertrauen mittels authentischer Kommunikation zu schaffen.

Was ist Kaltakquise?

Kaltakquise ist eine Methode der Neukundengewinnung, bei der Zielkunden angesprochen werden. Hierbei wird enteweder gutes Targeting eingesetzt oder per Massenaussendung gearbeitet. Beispiele: Du betreibste eine Autohauskette und mietest bei einem Adressbroker Kontaktdaten von lokalen Unternehmen. Diese gleichst du mit deinem Kundenstamm ab. Die übrigen Adressen erhalten einen Werbebrief. Wenn von 100 angeschriebenen Firmen 3 reagieren, ist das ein Riesen-Erfolg. Im B2B-Bereich hat man allerdings oft nur wenige Zielkunden, und die versucht man eher über Account Based Marketing anzusprechen – man sucht sich also die Zielkunden raus und findet vielleicht sogar die echten Entscheider oder Gatekeeper, um diese u.a. per Social Selling zu kontaktieren.

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