Markenidentität trotz KI-Nutzung konsistent halten: Tipps, Anregungen & Finetuning

Die Verlockung ist groß: Künstliche Intelligenz erstellt in Sekundenbruchteilen Texte, (fast) fotorealistische Bilder (wie das hier oben), Social-Media-Posts, Strategien, Kampagnen, Layouts oder Website-Designs (mit Texten und allem – Claude hat eine Anbindung zu Canva, Google hat den KI-Webdesign-Generator Stitch gekauft [mit Export zu Figma] etc. pp.)

Doch bei all den Vorteilen lauert eine Gefahr: Verliert unsere Marke dabei ihre Identität? Wenn jede KI-Software ihre eigene „Stimme“ einbringt, könnten Tonalität und Werte einer Marke verwässern. Wie gelingt es also, trotz KI-Unterstützung eine konsistente Markenidentität zu bewahren? Hier sind einige Tipps und Anregungen.

Inhalt

Klare Markenrichtlinien definieren

Zunächst brauchst du ein starkes Markenfundament. Je präziser Markenwerte, -sprache und Designrichtlinien definiert sind, desto leichter fällt es, sie einzuhalten – auch für die KI. Für euer Unternehmen solltet ihr einen Tone-of-Voice-Guide erstellen, der der KI (und natürlich allen menschlichen Kreativen) als Leitplanke dient.

Oft wird ein streng formaler Styleguide erstellt, aber das macht viel Arbeit. Eine „Loseblattsammlung“ mit Best (und Worst) Practices genügt schon. Hilfreich ist es, wenn die Best Practices auch wirtschaftlich erfolgreich waren.

Diese Richtlinien lassen sich in die KI einspeisen, oder für die Bewertung des Outputs nutzen.

KI als Ideengeber, nicht als Autopilot einsetzen

KI sollte im kreativen Prozess eher wie ein kreativer Assistent behandelt werden, nicht wie ein vollautomatischer Werberoboter. Der Feinschliff bleibt, bei den wichtigen Inhalten, in menschlicher Hand. So stellst du sicher, dass der finale Inhalt auch von der Marke kommt.

Alllerdings klappt das nur, wenn ihr im Team die Fähigkeit zum Feinschliff habt. Nicht in allen Marketingabteilungen gibt es kreative Kreative. Deshalb lohnt es sich durchaus, externe Dienstleister (Agenturen, Freelancer) einzuspannen.

Eigene KI-Stimme „antrainieren“

Einige Unternehmen gehen einen Schritt weiter und trainieren KI-Modelle mit ihren eigenen Inhalten. Das kann bedeuten, der KI tausende Wörter aus bisherigen Blogbeiträgen, Social Posts oder Styleguides zu geben, damit sie ein „Gefühl“ für die Markensprache entwickelt. Aufwand? Eine Stunde genügt für den ersten Test.

Solche individuell trainierten Modelle oder zumindest spezialisierte Prompt-Vorlagen können halbwegs konsistente Ergebnisse im gewünschten Stil liefern. Natürlich erfordert das anfänglich ein wenig Arbeit. Auch Datenschutzbedenken müssen berücksichtigt werden – aber wer es ernst meint mit konsistenter Marken-KI, kann so eine Art „Markengedächtnis“ in die Maschine einbauen.

Das Training ist gar nicht so kompliziert. Hier ein Beispiel im Verbund von Open AI und Anthropic Claude.

  1. Bei OpenAI kannst du recht einfach eine LLM finetunen: https://platform.openai.com/finetune – siehe Screenshot. Um GPT 4.1 feinzutunen, muss die Methode auf „Supervised“ (Fine Tuning) gestellt sein. Supervised (SFT) bedeutet, dass man die KI zum Training mit korrekten Frage-Antwort-Spielen füttert.
  2. Du brauchst dafür Trainingsdaten – in Form einer JSONL-Datei. Das ist im Grunde nur eine Datei mit vordefinierten (Text-)Zeilen im JSON-Format, dazu gleich mehr.
  3. Dieses Frage-Antwort-Spiel-Dokument lässt du dir, klar, von der KI generieren (auf Basis echter Daten), siehe Screenshot 2.
  4. Anschließend lädst du die .jsonl Datei hoch und klickst auf „Create“.
  5. Das System arbeitet dann im Hintergrund (mindestens eine halbe Stunde, hab also Geduld).
  6. Zum Schluss ist das feingetunte Modell für dich verfügbar. Du erkennst es am Namen. Einsetzen kannst du es besonders sinnvoll über die OpenAI API (oder das Dashboard).

Für die JSONL-Datei ist das OpenAI-Format für „Chat Completions“ nötig.

{"messages": [{"role": "system", "content": "..."}, {"role": "user", "content": "..."}, {"role": "assistant", "content": "..."}]}

So eine Datei kannst dir u.a. mit Claude erstellen lassen. Beispielprompt:

Du erstellst Finetuning-Trainingsdaten für KI:
Gehe auf die Website www.URL.de und auf Unterseiten, sammle deutschsprachige Texte (ca. 1.000 Zeilen) und gebe diese rein als JSONL Datei aus - ohne Kommentare.
Nutze das OpenAI-Format für Chat Completions. Halte dich strikt an dieses Schema:
{"messages": [{"role": "system", "content": "..."}, {"role": "user", "content": "..."}, {"role": "assistant", "content": "..."}]}

Das Dokument sieht dann „im Inneren“ so aus:

Das Ergebnis ist dann deine eigene Firmen-Sprache-KI:

Ich habe hier für mich nun ein eigenes LLM erstellt, das ich anwenden (und benchmarken) kann.

Hier ist ein Vergleichstest. In der linken Ecke: Das „normale“ GPT 4.1. In der rechten Ecke: Mein feingetunetes GPT 4.1

In der Tat: Die Finetuning-KI spricht meine „Brand Voice“ ganz OK.

Zusätzlich ist es bei OpenAI recht einfach möglich, Faktenwissen hochzuladen und der KI zur Verfügung zu stellen (ins „Storage“). Damit hast du dann ziemlich fix, für Testzwecke, ein RAG-Setup mit Brand Voice am Start.

Mit Claude geht das so ähnlich, aber komplett anders: Dort kann man einen Schreib-„Stil“ erstellen / anlernen, auf Basis eines hochzuladenden Dokuments. Dieser Stil lässt sich allerdings nicht über die API abrufen, ist also nicht für Automatisierungen / Apps nutzbar.

Qualitätssicherung ist nicht delegierbar

Ich finde, dass man die Zeit seiner lieben Kundschaft nicht mit lieblosem Quark verschwenden sollte. Auch wenn KI immer besser wird – eine menschliche Freigabe sollte Pflicht bleiben (außer du hast eine KI als Schiedsrichter am Start, die das so gut wie ein Mensch kann). Dabei kann und darf sich herausstellen, dass der KI-Content verworfen wird.

Hier geht es nicht nur um Rechtschreibung:

  • Klingt das wirklich nach uns? Oder liest sich das alles wie KI-Bla-Bla, mit inflationären ChatGPT-Wörtern wie „spezifisch“, „ikonisch“ oder „we are thrilled to announce“?
    Hier besteht die Gefahr, dass eure Brand Voice von der generischen KI-Universal-Voice überschrieben wird. Kurzum: Deine Marke klingt wie alle anderen Marken. Austauschbar. Verwechselbar. Beliebig.
    Um Output-Qualität zu bewerten, muss der Bewerter in der Beurteilung von Qualität geübt sein. Du siehst das Wort „ikonisch“? Dann muss der Rotstift ran. Ein Beispiel für Fremdsprachen: Du lässt dir von einer KI Texte in British English erstellen. Kannst du die Textqualität wirklich wie ein Native Speaker Creative Director beurteilen? Ich maße mir das nicht an. Transcreation ist ein sensibles Geschäft. Und auch KIs scheitern daran, wirklich alle Nuancen perfekt hinzubekommen. Trust me.
  • Passt der Inhalt zu unseren (Marken-)Werten? Oder ist das alles generisches Wischi-Waschi-Gedöns?
  • Ist die Zielgruppen-Ansprache passend? KI-Inhalte sind meist „Middle-of-the-Road“ und selten „exklusiv“. Zielgruppen-Ansprache ist aber oft exklusiv, weil sie eine Gruppe von Menschen mit ähnlichem Mindset o.ä. anspricht – man kann sich also ellenlange Einleitungen sparen. Beispiel: Wenn du eine Schnapsmarke hast, und du verkaufst im Shop Merch an Fans, musst du nicht bei Adam und Eva anfangen. Verkaufst du hingegen eine neue Schnaps-Geschmacksrichtung, musst du gleichzeitig aktuelle Fans und Noch-Nicht-Fans ansprechen. Diese feine Austarierung der Ansprache sollte man nicht ungeprüft der KI überlassen.

KI sinnvoll dosieren

Nicht jeder Marketinginhalt muss (oder sollte) per KI entstehen. Wertvoller Kreativ-Content sollte Chefsache bleiben. Klar, bei SEO-FAQs darf gern die Maschine ran – oder wenn es darum geht, statistische Daten (Marktforschung, Umfrage) in Fließtext zu „konvertieren“.

Hier zählt a) Authentizität und b) oft auch eine persönliche Note, die KI schlichtweg (noch) nicht bieten kann – oder wenn, dann nur als Fake. Und die Leute riechen Fake-Realität (manchmal).

Fazit

Für alle Marketing-Teams galt schon immer und gilt auch heute: Die Brand Voice muss man leben und mit Leben füllen. Das war früherTM einfacher, da man als Marketingabteilung einfach sehr gute Werbeagenturen für alles beuaftragt hat. Dort arbeiten Profis (na gut, auch Praktis), und zusätzlich gibt es eine mehrstufige Qualitätskontrolle. Marketer bekommen also, im Idealfall, keine halbgaren Sachen auf den Tisch.

Mit KI müssen Marketer umdenken: Das Briefing geht nicht an Menschen, sondern an eine Maschine. Hier muss man viel exakter arbeiten. Das macht Mehrarbeit, und die Outputs müssen genauer kontrolliert werden – oder du investierst in KI-Feintuning. Gerade bei agentischen, automatisierten Workflows (Stichwort Marketing-Automatisierung) solltest du noch genauer hinsehen.

Möglicherweise ist es dann doch besser, Kreativleistungen outzusourcen…

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Über den Autor

Stefan Golling, Köln. Seit 2011 unterstütze ich freiberuflich Unternehmen bzw. Agenturen mit kreativen Ideen, Konzepten und (textlichen) Umsetzungen rund ums (Online-)Marketing. Vorher: 1998 mit Radiowerbung in Stuttgart gestartet, 2000 als Junior-Werbetexter zu Publicis München, 2001 Counterpart Köln, 2002 als Copywriter zu Red Cell Düsseldorf (heißt heute Scholz & Friends), dort ab 2007 Creative Director.

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